Die Navagraha-Tempel sind eine Gruppe von neun Hindu-Tempeln im Süden Indiens, die den personifizierten neun Himmelskörpern der hinduistischen Astrologie (Navagraha) gewidmet sind. Sie befinden sich im Umkreis der Stadt Kumbakonam an neun verschiedenen Orten des Bundesstaates Tamil Nadu, sowie im Distrikt Karaikal des Unionsterritorium Puducherry. Die meisten shivaitischen Tempel in Tamil Nadu besitzen einen Schrein, der den Navagrahas geweiht ist. Im Fall der Navagraha-Tempel ist aber jeder der neun Tempel jeweils einem der neun Himmelskörper gewidmet. Im Tempel von Sooriyanarkoil ist der Sonnengott Surya die Hauptgottheit, die anderen Navagraha-Tempel sind dagegen allesamt Shiva-Tempel mit einem Schrein für den jeweiligen Planeten.
Der Besuch der Navagraha-Tempel gilt als die beste Möglichkeit, um sich von negativen Einflüssen der Planeten im Horoskop zu befreien oder positive Einflüsse zu stärken. Also begeben wir uns auf den Weg zu einer Pilgerreise zu den neun Planeten-Tempeln, um mit Ritualen und Mantras, die uns der Brahmane im Nadi-Reading aufgetragen hat, unser Schicksal positiv zu beeinflussen. In der Palmblatt-Lesung wurden uns die Planeten mitgeteilt, die Stärkung benötigen, weil sie in einer weniger günstigen Konstellation stehen und daher einen schwächenden Einfluss auf uns und unser Leben haben – als auch die, die positiv auf uns wirken und damit eine stärkende Kraft auf uns ausüben.
Als ersten Ort auf unserer Pilgerreise besuchen wir den Schrein des personifizierten Planeten Mars, einer wütenden Emanation des Gottes Shiva, der im Vaitheesvaran- oder Vaidyanatha-Tempel in Vaiteeshvarankoil, in der Nähe von Chidambaram, zu finden ist. Der Mars gilt als tamasischer Planet mit eher negativen Einflüssen und steht im Wesentlichen für die Qualitäten Mut, Durchsetzungskraft, Energie und Vitalität, Leidenschaft, Ehrgeiz, Motivation und Wünsche.
Im Vaitheesvaran-Tempel wird der Shiva als göttlicher Heiler Vaitheesvaran (Vaidyanatha) verehrt, der hier selbst unheilbare Krankheiten heilen kann, und ist daher ein wichtiger Pilgerort für Menschen, die unter Krankheiten leiden. Vaiteshvarankoil ist übrigens das größte Zentrum der Palmblattleser, hier erhält man sämtliche Einblicke und Aussichten auf das Schicksal, die man brauchen kann.
Ganz in der Nähe, im Ort Thiruvegadu, liegt der Tempel des Merkur, dem wir am folgenden Tag ebenfalls einen Besuch abstatten. Swetharanyeswarar ist der Hauptgott in diesem Tempel. Die Mythen erzählen, dass es in Thiruvengadu einen Dämon namens Maruthuvasuran gab. Er vollzog eine Buße, um Brahma für das Erreichen besonderer Kräfte zu gefallen. Erfreut über seine Hingabe bot Brahma ihm besondere Kräfte an. Maruthuvasuran begann, seine Kräfte zu missbrauchen und folterte die Heiligen und unschuldigen Menschen. Alle Leidenden baten Shiva daraufhin ihrer Not ein Ende zu setzen. Shiva nahm eine Emanation als Agora murthi an und tötete Maruthuvasuran unter einem Baum, der heute als Ort angenommen wird, an dem sich der Thiruvengadu-Tempel befindet.
Der Merkur-Tempel ist der erste Tempel, an dem ich ein Ritual auszuführen habe. Hier soll ich, nachdem ich einige Butterlampen angezündet habe, innerhalb des Tempelkomplexes 13 Runden drehen, so schnell als möglich, und dabei Mantras rezitieren, damit meine Fähigkeiten zu sprechen, insbesondere öffentlich vor Publikum, gestärkt werden.
Ganz in der Nähe befindet sich der Ketu-Tempel Naganathar. Unter dem Einfluss Ketus entwickelt sich Empathie, in Verbindung mit der universalen, kreativen Lebenskraft, die Weisheit und Einsicht in die Wirkungsweise der Natur gewährt. Dadurch kann der Einzelne die subjektive Realität hinter dem Schleier der objektiven Manifestation wahrnehmen. Wenn Ketus Einfluss vorherrschend ist, aktiviert er das Denkprinzip. Ketus Erscheinung ist bunt und vielfarbig, deshalb spenden wir hier alle Blumen und bunte Tücher für unser Wohlergehen.
Als nächstes besuchen wir den Tempel des Saturn in Thirunallaru. Shani gilt als Gott des Karmas und verkörpert Entbehrung, Disziplin, Härte, Sorgen und Leiden, aber auch Ruhe, Dauerhaftigkeit und Sicherheit. Shani zeigt den Kummer eines Menschen an, Shanis Guna oder Natur ist Tamas (dumpfe Trägheit). Im Horoskop gibt die Stellung von Shani Auskunft über die Fähigkeit eines Menschen, Härten und Mangel zu erdulden und mit schweren Belastungen umzugehen. Saturn ist ein strenger Lehrer und wird als alter Mann dargestellt. Er gibt die Lektionen wie man mit schweren Krisen umgeht und existenzielle Konflikte löst. Selbst die Gaben, die er schenkt – wie Langlebigkeit, Stabilität und Sicherheit – muss man sich durch Erdulden von Kummer, Härte und Entbehrungen schwer verdienen. Auch hier muss ich mein Ritual vollbringen und die aufgetragenen Mantras rezitieren.
Unsere Fahrt endet an diesem Tag in Kumbakonam, wo wir in ein wunderschönes Eco-Resort einchecken, das in idyllischer Ruhe inmitten der Natur liegt. Zur Natur in Indien gehören allerdings auch riesige Spinnen, die sich manchmal auch in unsere Suiten verirren, und auch die wilden Stimmen unbekannter Tiere in der Nacht, nicht weit entfernt von unserem Logis, lassen uns manchmal aufschrecken. Hier bleiben wir einige Tage und besuchen weitere Planeten-Tempel, wie die Tempel der Venus, der Sonne, des Jupiters und zuletzt des Rahu.
Die Venus, die im Velleeswarar-Tempel verehrt wird, gilt als einer der wichtigsten Planeten in der vedischen Astrologie und ist auch der Unterstützer-Planet unseres Palmblattlesers. Shukra (Venus) ist laut der vedischen Mythologie der Sohn des Bhrigu, des dritten Rishis, die der Gott Brahma zu Beginn der Schöpfung erschuf. Er gilt als der Guru (Lehrer) der Devas und Asuras und verfügt über das Wissen, die Toten wieder zum Leben zu erwecken, selbst nachdem die Götter sie zerstört haben. Dieses Wissen wird auch von den Göttern gesucht und letztendlich von ihnen erlangt. So steht Shukra für Mangadu, dem Segen der Trimurti, der das Ende einer langen Periode der Blindheit markiert.
Der Sonnen-Tempel ist ein großer Tempelkomplex, der ständig von vielen Anhängern besucht wird, die in langen Schlangen am Tempeleingang geduldig darauf warten durch den Parcours geleitet zu werden. Auch wir reihen uns ein und freuen uns darauf hier Surya, die Sonne, zu würdigen. Für alle, die sich nicht die Zeit nehmen können, jeden der Planeten-Tempel einzeln zu besuchen, besteht hier die Möglichkeit dies stellvertretend an den Schreinen aller anderen acht Planeten zu tun, die im Tempel des Surya ebenfalls zu finden sind. Er ist der einzige Tempel, in dem es separate Schreine für jede der Planetengottheiten gibt – und ist auch der einzige Tempel unter den neun planetarischen Tempeln, in denen Shiva nicht die Haupt-Gottheit ist. Surya, die Sonne, entspricht Atman – dem universellen Selbst, der kosmischen Intelligenz, Bewusstsein, Leben, Macht und Autorität, Selbstvertrauen, Ehrgeiz und Vitalität.
Zu diesem Ort gibt es folgende hinduistische Legende: Der Weise Kalava litt neben Lepra an ernsthaften Beschwerden. Er betete zu den Navagrahas, den neun Planeten-Gottheiten. Die Planeten freuten sich über seine Hingabe und boten dem Weisen Heilung an. Brahma, der Gott der Schöpfung, war verärgert, als er sah, dass die Planeten nicht über die Macht verfügten, die Menschen mit Segen zu versehen. Er verfluchte die neun Planeten und ließ sie an Lepra erkranken, woraufhin er sie nach Vellurukku Vanam verbannte, in den Dschungel der weißen, wilden Blumen auf der Erde. Die Planeten beteten zu Shiva, um sie von diesem Fluch zu befreien. Shiva erschien ihnen und sagte, dass dieser Ort nun ihnen gehörte und sie die Anhänger, die sie hier anbeten würden, mit den weißen, wilden Blumen dieses Dschungels schmücken müssten.
Rahu, dem der Sri Nagesvara Tempel geweiht ist, wird allgemein als "Schatten-Planet“ bezeichnet und gilt als Signifikator unserer Vergangenheit. Es wird gesagt, dass er enorme Auswirkungen auf den Menschen hat, sein Einfluss ist nachhaltig, auch wenn er nicht immer als die Ursache dafür erkannt wird. Rahu führt zu Enttäuschung und Ernüchterung in Bezug auf die materiellen Aspekte des menschlichen Lebens und auf das physische Wohlergehen. Seine Wirkung wird in erster Linie an den psychologischen und seelischen Aspekten des menschlichen Körpers spürbar. Rahu ruft wichtige Veränderung im Leben hervor, die plötzlich eintreten und unvorhersehbar sind – vollkommene Erschütterung ist Rahus astrologischer Effekt. Aber gleichzeitig kann er auch vor diesen Ereignissen schützen bzw. vernichtet Rahu die egoistische, selbstzentrierte und dämonische Natur des Menschen und führt zu dessen Spiritualisierung. Es ist ein starker Einfluss des nördlichen Mondknotens und so sind wir alle dazu aufgerufen unsere Pujas zu absolvieren.
Der letzte Navagraha-Tempel, dem wir einen Besuch abstatten, ist der Chandiranaa-Tempel (auch Kailasanatha-Tempel oder Thingalur-Tempel genannt), der dem Mond geweiht ist. Der Mond gilt als Herr der Pflanzen und der Vegetation. Chandra steht für Jugend, Energie und Schönheit – als Gottheit hält Chandra einen Lotus in den Händen und reitet jeden Abend in seinem Streitwagen mit 10 weißen Schimmeln über das Firmament. Der Mond ist zuständig für den Geist und den „gesunden Menschenverstand“, für die Art und Weise der täglichen Kommunikation, Empfänglichkeit, Gefühle, Emotionen – und steht auch für Labilität, die Mutter, das Erinnerungsvermögen, die eigene Wahrnehmung und deren Verarbeitung. Auch dieser Tempel wird von vielen Pilgern besucht. Er ist in der Dravida-Architektur erbaut und verfügt über einen fünfstufigen Torturm und hat zwei Bezirke. Es gibt einen separaten Schrein für den Mondgott und wie in anderen hinduistischen Tempeln gibt es auch Schreine für Lord Murugan, die Göttin Lakshmi, Lord Vinayagar und andere. Es ist sehr beeindruckend zu beobachten, wie die Mondstrahlen nachts direkt auf die präsidierende Gottheit fallen. Unsere Opfergaben an den Mondgott sind die weiße Arali-Blume (Ghanera), wir sollen weiße Kleidung während der Puja tragen und Reis gemischt mit Jaggery opfern.
In Tanjavur ist das Ende unserer Pilgerreise entlang der Navagraha-Tempel erreicht und wir sind alle überwältig und auch etwas erschöpft von den vielen Eindrücken unserer intensiven Reise. Eine einmalige Tour, die uns der Swamy ermöglicht hat, und die eine nachhaltige Wirkung auf unser Leben hat. Viele Einsichten und Erkenntnisse haben wir verarbeitet auf dieser unvergesslichen Reise und eine spirituelle Transformation hat ihren Lauf genommen. Wir sind dankbar.